In der "taz" vom 25. September 2004 ist dieser Artikel "Vielfalt statt Einfalt" von Volker Engels erschienen:


Vielfalt statt Einfalt
Hinter dem so genannten "Diversity Management" verbirgt sich der Umgang eines Unternehmens mit der Unterschiedlichkeit seiner Mitarbeiter. Das schafft Chancengleichheit und setzt Potenziale frei

VON VOLKER ENGELS

Der farbige Pförtner im Rathaus ist in Deutschland bisher noch genauso die Ausnahme wie der schwule Firmenchef eines mittelständischen Betriebes, der selbstverständlich beim Betriebsausflug seinen Lebenspartner präsentiert. Alte werden von vielen Unternehmen vor allem als Verschiebemasse in Richtung Sozialplan betrachtet, Menschen mit Behinderungen werden als Mitarbeiter von Firmen oft erst dann geschätzt, wenn deren Arbeitsplatz kräftig subventioniert wird. Die Mutterschaft bedeutet noch immer für viele Frauen das ultimative Ende der Karriere, weil sich Laptop und Windeln nur schwer in den betrieblichen Alltag integrieren lassen.

Zunehmend entdecken aber auch Firmen in Deutschland, dass in dieser Vielfältigkeit ihrer Mitarbeiter ein Potenzial schlummert, das sich für den Unternehmenserfolg nutzen lässt. Hinter dem so genannten "Diversity Management" verbirgt sich der Umgang eines Unternehmens mit der Unterschiedlichkeit und Vielfalt ihrer Mitarbeiter. Statt Mitarbeiter auszugrenzen, werden zum Beispiel Seminare, Workshops oder Trainings angeboten, mit denen Vorurteile der Belegschaft oder des Managements abgebaut werden. Firmeninterne Netzwerke von Frauen oder Schwulen erhalten finanzielle Mittel. Das Ziel: Die Chancengleichheit erhöhen. In den USA und weltweit arbeitenden Unternehmen wie Ford oder IBM ist das Diversity-Management ein weit verbreitetes Instrument der Personalpolitik.

"Es geht darum, die Unterschiedlichkeit und Vielfalt von Mitarbeitern als Bereicherung des Unternehmens zu begreifen", sagt Volker Ostler von der Deutschen Gesellschaft für Diversity Management. Viele Unternehmen hätten noch nicht begriffen, dass sie sich zum Beispiel mit ihrer "Altersdiskriminierung" ins eigene Fleisch schneiden. "Ich habe gerade erlebt, dass sogar einem 43-jährigen Bewerber gesagt wurde: ,So einen alten Mitarbeiter hatten wir uns aber nicht vorgestellt'", sagt Ostler. Gerade ältere Mitarbeiter hätten nämlich ein "großes Erfahrungswissen", das sich Firmen nutzbar machen könnten.

Manche Unternehmen betrachteten es inzwischen als kurzfristige Fehlentscheidung, dass sie alte Mitarbeiter ausgemustert hätten und "reaktivieren ihre Alten", so Ostler. In vielen Bereichen zeichne sich schon jetzt ein Fachkräftemangel ab, der in spätestens zehn Jahren "extreme Ausmaße" annehmen werde. Firmen könnten es sich auch deshalb nicht mehr leisten, bestimmte Bevölkerungsgruppen als Mitarbeiter oder Kunden auszugrenzen. Teams etwa könnten von Mitarbeitern profitieren, die wegen ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Herkunft oder ihrer Religion ein Problem von einer anderen Seite beleuchten und dadurch zu kreativen Lösungen kommen. Kritik äußert Ostler allerdings am Gesetzgeber: "Ich begreife nicht, warum die Bundesjustizministerin ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz verschleppt, obwohl es schon lange von der Europäischen Union eingefordert wird."

Auch bei der VW-Bank, bei der rund 3.400 Mitarbeiter beschäftigt sind, steht das Diversity Management auf der Agenda. Seit zwei Jahren fördert das Geldhaus zum Beispiel den Christopher Street Day am Firmensitz Braunschweig. "Das Sponsoring geht auf eine Initiative eines Mitarbeiters zurück, der uns für das Thema sensibilisiert hat, sagt Verena Rattey, Sprecherin der Bank. Inzwischen haben Mitarbeiter auch die schwul-lesbische Interessengruppe "QUEERdirect" gegründet, die mit einem eigenen Wagen auf dem Braunschweiger CSD vertreten sei. Außerdem gibt es Betriebsvereinbarungen über partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz sowie ein Mentoringprogramm, mit dem die betriebliche Chancengleichheit gefördert werden soll. Koordiniert werden die Maßnahmen von einer hausinternen Diversity-Managerin. "Dadurch, dass wir die Vielfalt in der Belegschaft fördern, können wir besser auf die Vielfalt unserer Kundengruppen reagieren", so Rattey. Das helfe auch bei der Suche nach neuen Mitarbeitern: "Wir bleiben als Arbeitgeber attraktiv."

In der universitären Ausbildung gewinnt das Thema Diversity Management an Bedeutung, hat die Berliner Hochschulprofessorin Gertraude Krell beobachtet: Studierende hätten registriert, dass diese Management-Kompetenz "immer stärker in der Praxis nachgefragt wird, sagt die Autorin des Buches "Chancengleichheit durch Personalpolitik". Unternehmen, die sich aktiv für die Chancengleichheit ihrer MitarbeiterInnen einsetzten, hätten bessere Karten auf dem Markt: "Es gibt in den USA Fonds, die ihr Geld nur in die Unternehmen investieren, in denen es Diversity-Management-Programme gibt."

 

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